„Beschimpfe niemals eine Frau, die sündig fällt!“

Victor HugoAls Victor Marie Hugo im Mai 1885 verstarb, glich seine Beisetzung einem nationalen Großereignis. Die große Anerkennung Hugos ist nicht nur mit seinem schriftstellerischen Werk zu erklären. Als Politiker und Visionär setzte er sich für mehr Demokratie und Freiheit, für die Abschaffung der Todesstrafe, für die Rechte der Frauen und gegen Unterdrückung und Sklaverei ein. Und er träumte von einem brüderlich vereinten Europa.

1802 in Besancon geboren genoss er zunächst eine royalistische Erziehung, war aber im Laufe der Zeit von der Nützlichkeit der liberalen und humanitären Demokratie überzeugt. Als 1848 die Revolution ausbrach, wurde er schließlich zum Anhänger der Republikaner und bonapartistischer Abgeordneter im Parlament. Als er sich gegen den Staatsstreich auflehnte, mit dem sich Bonaparte (späterer Napoleon III.) im Dezember 1851 zum Präsidenten auf Lebenszeit machte, wurde Hugo kurz inhaftiert und musste bis zu dessen Sturz 1871 ins Exil.

Mit dem Einsatz für mehr politische Rechte und für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen von Frauen war Victor Hugo den meisten seiner männlichen Zeitgenossen weit voraus. Fast hätte er einen Leitartikel für „Emma“ verfassen können, vertrat er doch deren Überzeugung, die Prostitution als moderne Sklaverei zu verdammen, nicht aber die Prostituierten. Als in England in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts Gesetze zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten (Contagious Diseases Acts) erlassen wurden, ermutigte Hugo die Frauen rund um die Leitfigur Josephine Butler, die mit einer Petition gegen den Erlass vorgingen, in ihrem Widerstand. Die Gesetze räumten den Polizeibeamten Rechte ein, Frauen und Mädchen, die scheinbar oder tatsächlich der Prostitution nachgingen, aufzugreifen, sie zu internieren und einer gynäkologischen Untersuchung zu unterziehen. Hugo kritisierte ebenso wie die Frauen, dass nicht die Ursachen von Prostitution bekämpft wurden und bei allen Eingriffen die Kunden gänzlich unbehelligt blieben.

Mutige Frauenpersonen hatten so stets eine starke Wirkung auf Victor Hugo. Ergriffen von ihrer Standhaftigkeit vor dem Kriegsgericht widmete Hugo der französischen Schriftstellerin und Widerstandskämpferin der Pariser Kommune Louise Michel 1872 das Gedicht „Viro Major“.